Modern oder diskriminierend? - Der Burkini

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Modern oder diskriminierend? - Der Burkini

BSG-Institut
Veröffentlicht von Heiko Reckert in Allgemein · 7 April 2019
Tags: Burkini
Zurzeit wird wieder einmal über das Verbot der  "Ganzkörperbadebekleidung" diskutiert. Nach Beschwerden von Besuchern  hat man jüngt in Neutraubling ein "Burkini-Verbot" ausgesprochen. Ist  eine solche Entscheidung im Sinne der Freiheit oder ist sie  diskriminierend? Die Diskussion ist nicht neu. Wir haben uns schon 2009  für unser Magazin "Bäder Sport Gesundheit" mit dem Thema Burkini  beschäftigt. Nachfolgend findet ihr den leicht bearbeiteten Bericht aus  dem Jahr 2009, als das Thema schon genauso heiß diskutiert wurde, wie  nun, sieben Jahre später.

Einige priesen ihn als die  Wunderlösung, um auch Muslimen eine Teilnahme am Schwimmsport zu  ermöglichen. Andere verteufelten ihn als tiefsten Ausdruck der  Frauenfeindlichkeit und sprachen sich für ein Verbot aus. Die Rede ist  vom „Burkini“ oder, um den englischsprachigen Oberbegriff für diese  Badebekleidung zu gebrauchen, die „modest“ oder „full coverage swimwear“  also Ganzkörper Badebekleidung. Die kennen wir in anderer Form schon  von den Weltmeisterschaften im Schwimmen, wo Ganzkörperanzüge mit  spezieller Beschichtung neue Wunderzeiten ermöglichten. Das regte zwar  auch viele Schwimmfreunde auf und nicht wenige sprachen sich für das  Verbot dieser Bekleidung aus. Die Gründe der Ablehnung waren aber andere  als etwa beim Burkini. Die neuen Anzüge machte durch ihre besondere  Beschichtung schneller und ermöglichten so Fabelzeiten, die kein  »nackter« Schwimmer erreichen konnte.
  Cover Bäder Sport Gesundheit von 2009  Der Burkini ist ein  zweiteiliger Schwimmanzug mit einer integrierten Kopfbedeckung und  erfüllt angeblich die Anforderungen des Hidschab, also der geforderten  islamischen Körperbedeckung der Frau. Dabei ist strittig, welcher Art  diese Körperbedeckung zu sein hat.
Der Hidschab wird im Koran an  einigen Stellen im Sinne einer Trennwand erwähnt, nicht jedoch im Sinne  eines Kleidungsstücks. Obwohl sich das Tragen des Hidschab nach Ansicht  vieler Vertreter des Islam aus dem Koran nicht ableiten lässt und sich  dort auch keinerlei Regeln, wie oder in welchem Ausmaß ein  Kleidungsstück im Sinne einer Bekleidungsvorschrift zu tragen ist  finden, wird der Hidschab in vielen Ländern gesetzlich gefordert. So  stellen z.B. Saudi-Arabien und der Iran das Nichtragen unter Strafe.  Frauen, die diese Kleiderregeln befolgen wollten, waren lange Zeit quasi  vom Besuch einer öffentlichen Badeanstalt ausgeschlossen.
Der  Burkini sollte seit einiger Zeit hier Abhilfe schaffen. Dabei ist der  Begriff „Burkini“ ein Kofferwort aus Burka und Bikini. Einzelne Anbieter  vertreiben Formen des Anzugs auch unter dem Begriff Veilkini  (Schleier-kini). Anders als eine Burka, zeigt der Burkini aber deutlich  mehr vom Körper und ermöglicht auch eine einfachere Bewegung. Auf der  Seite http://www.splashgearusa.com/ finden sich einige Burkini-Fotos,  zum Teil auch von Käuferinnen der Firma eingereicht. Insbesondere bei  einigen Tauchfotos ist kaum ersichtlich, dass es sich überhaupt um einen  Burkini handelt und nicht um einen Tauchanzug. Splashgear war so  freundlich uns für diesen Bericht kostenlose Pressefotos zur Verfügung  zu stellen. Allerdings fragte das Unternehmen zuvor nach, ob der Bericht  das Thema auch ausgewogen behandelt. Zu groß war die Angst, auch für  einen einseitig negativen Beitag noch die Bilder zu liefern.
Nicht unumstritten
Der Grund für die Sorge ist zu verstehen, denn der Burkini ist nicht  überall unumstritten. 2009 bezog auch der Zentralrat der Ex-Muslime zu  diesem kontrovers diskutierten Thema Stellung. Er  warnte vor einer  Zulassung des „Burkini“ für muslimische Frauen in öffentlichen Bädern in  Deutschland. „Wenn der Burkini in deutschen Bädern generell erlaubt  wird, dann  stärkt dies nur die islamische Frauenfeindlichkeit“, sagte  Zentralratsvorsitzende Mina Ahadi der „Leipziger Volkszeitung“.  Ahadi  befürchtet, dass islamische Frauen sich dann bald nur noch im  Ganzkörper-Badeanzug in öffentliche Schwimmbäder trauen.  „Damit haben  wir dann das gleiche Problem, wie mit dem Kopftuch. Das ist das  Gegenteil von Integration, wenn Frauen derart  öffentlich stigmatisiert  werden,“ sagte sie gegenüber der Zeitung.
Der Zentralrat der Ex-Muslime schreibt in seiner Pressemeldung weiter:
Der  Ganzkörper-Badeanzug sorgt gerade in Frankreich für einen öffentlichen  Streit, nachdem ein Bademeister einer Muslima das Baden im Burkini aus  hygienischen Gründen verboten  hatte. In Deutschland ist unter anderem  in Berlin das  Baden im Burkini während festgelegter Frauenschwimmzeiten  in den öffentlichen Bädern erlaubt. Die ursprünglich als Testphase bis  Sommer angelegte Zulassung wird in Berlin nun verlängert, obwohl das  Interesse der Muslime ausblieb. „Die Testphase für den Burkini ist  ergebnislos beendet worden, da binnen sechs Monaten keine Dame kam, um  im Burkini zu schwimmen“, teilte ein Sprecher der Berliner Bäderbetriebe  mit. Dennoch werde man das Schwimmen im Burkini auch weiter tolerieren.
  Das  fehlende Interesse wundert Ex-Muslima Ahadi  nicht. Die meisten  islamischen Frauen würden auch weiterhin lieber im konventionellen  Badeanzug Schwimmen gehen. „Leider dient aber der   Burkini einigen  radikalen islamischen Organisationen als willkommenes Symbol, um ein  politisches Schauspiel zu inszenieren. Diese Entmündigung von Frauen hat  aber in einer aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nichts zu  suchen“, so Ahadi weiter.
 Der Zentralrat  der Ex-Muslime  kritisiert zudem scharf, dass Schulen weiterhin Ausnahmen beim  Schwimmunterricht für islamische Mädchen zulassen. „Es ist ein  unfassbarer Skandal, dass in Deutschland islamische Eltern ihren Mädchen  den regulären Schwimmunterricht verbieten und dies toleriert wird.“  Auch den Burkini als Kompromiss für eine Schwimmunterricht-Teilnahme  lehnt Ahadi ab. „Wenn der Burkini zur Bedingung wird, dass Muslime ihren  Mädchen den Schwimmunterricht erlauben, dann  ist der  Weg nicht weit  zur nächsten Forderung nach geschlechtergetrennten Unterrichtsräumen.  Das ist eine Spirale ohne Ende, die eine Geschlechterapartheid mitten in  Deutschland möglich macht“, so Ahadi.
Hygiene kein Problem
Ganz so sieht man es an anderen Stellen allerdings nicht. Insbesondere  die Frage der Hygiene beurteilt Joachim Heuser vom Bundesverband  öffentlicher Bäder anders. In der „Augsburger Allgemeine“ vom 17. August  2009 sagt er, dies sei alles Unsinn. Badekleidung aus synthetischem  Material stelle kein hygienisches Problem für die modernen  Wasseraufbereitungsanlagen der Bäder dar, egal, wie lang diese sei. Das  gelte sowohl für Badeshorts als auch für Burkinis.
Da Burkinis aus  Lycra, also Elastan bestehen, also aus dem gleichen Material wie die  meisten Badenazüge, sollte die Verschmutzung somit also auch nicht  größer sein, als etwa durch die ungeliebten „Shorts“.
Urteil zum Schwimmbesuch
Im Bezug auf die Teilnahme islamischer Mädchen am Schwimmunterricht hat  es inzwischen schon ein entsprechendes Urteil gegeben, dass das Tagen  eines Ganzkörperschwimmanzugs als Möglichkeit sieht, trotz religiöser  Regeln am Schwimmunterreicht teilzunehmen. In der Pressemeldung des  Oberverwaltungsgerichts NRW vom 20. Mai 2009 heißt es dazu:
„Muslimische  Mädchen im Grundschulalter haben grundsätzlich keinen Anspruch auf  Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht. Regelmäßig ist ihnen  zumutbar, eine den islamischen Bekleidungsvorschriften entsprechende  Schwimmkleidung zu tragen. Das hat der 19. Senat des  Oberverwaltungsgerichts heute in einem Eilverfahren entschieden und  damit einen gleichlautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts  Gelsenkirchen bestätigt.
 Die Eltern des Mädchens, das die  Grundschule in Gelsenkirchen besucht, hatten beim Schulamt vergeblich  die Befreiung ihrer Tochter vom Schwimmunterricht beantragt. Sie  erklärten, sie befürworteten eine strenge Auslegung des Korans. Diese  gebiete ihnen, Kinder schon ab dem 7. Lebensjahr vor sexuellen  Versuchungen zu bewahren. Auch das Verwaltungsgericht lehnte die  Befreiung ab, weil die Tochter sich durch entsprechende  Schwimmbekleidung vor den Blicken anderer schützen könne. Hiergegen  wandten die Eltern ein, der Schwimmanzug sauge sich mit Wasser voll und  behindere ihre Tochter beim Schwimmen. Außerdem stelle er eine  zusätzliche Gefahr für Leib und Leben dar.
 Der Senat hat  diese Einwände zurückgewiesen. Es sei inzwischen nichts Ungewöhnliches  mehr, dass muslimische Frauen und Mädchen beim Schwimmen einen sog.  Burkini trügen. Das gelte sowohl in islamisch geprägten Ländern als auch  in Deutschland. Auch im Schwimmunterricht in der Grundschule sei den  Mädchen das Tragen einer derartigen Schwimmbekleidung grundsätzlich  zumutbar. Es sei geeignet, einen hier im Einzelfall auftretenden  Glaubenskonflikt ohne Trennung der Geschlechter und ohne Befreiung zu  bewältigen. Es sei auch nicht erkennbar, dass dies bei der Tochter der  Antragsteller ausnahmsweise anders sei. Insbesondere bestehe bei ihr  nicht etwa die Gefahr, wegen des Schwimmanzugs von Mitschülern gehänselt  zu werden. Geschehe dies gleichwohl, sei es selbstverständlich auch im  Schwimmunterricht die Pflicht der Lehrkräfte, auf diese Mitschüler mit  dem Ziel pädagogisch einzuwirken, dem Mädchen verständnisvoll, tolerant  und respektvoll zu begegnen.
 Der Beschluss ist unanfechtbar (Az.: 19 B 1362/08).“
Dass  man mit einem Ganzkörper-Schwimmanzug, sofern es sich nicht um die  bekannten Schwimmanzüge für Leistungssportler handelt, schlechter bzw.  langsamer schwimmt als mit einem normalen Badeanzug, ist sicherlich  unstrittig. Insbesondere in der Schwimmausbildung fehlen hier aber noch  statistische Aussagen, inwieweit ein Burkini daran hindert, das  Schwimmen zu erlernen.
Entmündigung?
Im Raum  stehen bleibt zweifellos die Frage, ob es konservative Moslems durch den  Burkini nicht einfacher haben, ihre Frauen so zu „entmündigen“ bzw. in  ein ungeliebtes religiöses Korsett zu drängen. Dies wird sicherlich in  einigen Fällen so sein. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob nicht  viele Frauen (egal ob sie gezwungen werden Kleidung nach den Regeln des  Hidschab zu tragen oder dies freiwillig machen) nur durch die neue  Badebekleidung die Möglichkeit haben, an Schwimmveranstaltungen  teilzunehmen.
In der Presse
Ist der Burkini  also Zweck, wie es die Erfinderin des Burkini, eine in Australien  lebende Libanesin, sagt, oder Zwang, wie der Zentralrat der Ex-Muslime  es beschreibt?
International haben sich Zeitungen und Magazine immer wieder intensiv mit dieser Frage beschäftigt.
Für die Wochenzeitung „Die Zeit“ ist der Burkini in ihrer Ausgabe vom  19. August 2009 schlicht ein „Badeanzug aus Lycra, der nur Hände, Füße  und das Gesicht frei lässt, nicht unähnlich den Bekleidungen der  Wettkampfschwimmer und Surfer, nur verspielter.“ Dort versteht man   Frankreichs Diskussion um das Kleidungsstück offenbar nicht wirklich und  auch der österreichische Standard nannte die „Aufregung“ der Franzosen  in seiner Onlineausgabe eine „Sommerposse“.
Im Time Magazin vom  September unternahm die Time Journalistin Azadeh Moaveni den  Selbstversuch in Teheran unter Berücksichtigung der religiösen Regeln  Joggen zu gehen, was sie dazu veranlasste doch lieber in den Bergen  hiken zu gehen.
Fazit ihres Beitrages ist, dass es für religiöse  muslimische Frauen nur zwei Möglichkeiten gibt, ihren Wunschsport  auszuüben, ohne dabei religiöse Regeln zu verletzen. Entweder in  Sportgruppen in denen nur Frauen aktiv sind, oder durch das Tragen  entsprechender Bekleidung. So wäre es der Sprinterin Roqaya al-Ghasara  aus dem Königreich Bharein bei den olympischen Spielen 2008 nicht  möglich gewesen die 200 Meter zu laufen, hätte sie nicht einen  Ganzkörperanzug getragen.
Integration nur ohne Burkini?
Eine völlige Integration, wie sie der Zentralrat der Ex- Muslime  fordert, hieße zweifellos auf alle religiösen Kleidersymbole, also auch  auf das Kopftuch zu verzichten. Dies wäre jedoch deutlich zu weit  gegriffen, denn auch hier muss stets die Freiwilligkeit im Vordergrund  stehen. Wer sich selbst, und nicht aufgrund sozialer Zwänge, dazu  entscheidet entsprechende Kleidung zu tragen, dem muss dies auch  freigestellt werden. Schließlich sind nicht nur religiöse Gründe der  Grund, warum Frauen solche Bekleidung tragen. Sowohl Krebspatienten, die  Sonnenlicht meiden müssen, als auch Menschen mit entstellenden  Brandverletzungen nutzen den Burkini als Schutz. Nicht immer stehen also  religiöse Zwänge hinter der Entscheidung für eine Ganzkörper  Badebekleidung.
Doch genau dies herauszufinden ist das größte  Problem und so wird der Burkini wie das Kopftuch noch lange ein  Streitthema bleiben. Vielleicht sogar noch dann, wenn Ganzkörperanzüge  zum Massenprodukt geworden sind.
Und bei aller Diskussion über die  Unsinnigkeit dieser Badebekleidung darf nicht vergessen werden, dass vor  150 bzw. vor Jahren in Deutschland noch die Badebekleidung  vorgeschrieben war, die den gesamten Körper bedeckte. Damals hat sich  keiner darüber aufgeregt und zweifelsfrei war das Schwimmen mit diesen  Kleidungsstücken deutlich schwieriger, als mit heutigen Burkinis.
Titelbild des Magazins Bäder-Sport-Gesundheit mit freundlicher Genehmigung der Firma Splashgear www.splashgearusa.com


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